Während man uns monatelang zuerst daheim und dann im Lande eingesperrt hatte, sind nacheinander die Reisepläne ins Wasser gefallen: schon wieder nicht Berlin, wo ich letztes Jahr schon hin wollte und dann wegen einer langwierigen Beinverletzung nicht konnte, und unser Rundtripp über Strasbourg und Dijon nach Genf und zurück über Norditalien selbstredend auch abgesagt…
In den Wochen, wo man nicht mal Freunde besuchen sollte – wenn sich auch dann hinterher herausgestellt hat, dass es so richtig verboten ja eigentlich gar nicht war – haben wir uns gegenseitig aufgeschaukelt in der aufrichtigen Sehnsucht nach Italien.
Es ist schon so: ich muss da drei oder vier Mal im Jahr hin, sonst verdrieße ich. Genauso wie Paris jedes Jahr eine Wohltat ist, ersetzbar allerhöchstens durch ausgedehntere Reisen in andere Regionen Frankreichs. Einzig von Barcelona hab ich nach vier Besuchen fürs erste genug. Am besten aber alles und das immer wieder. Und auf jeden Fall Venedig. Wenn ich es denn das ganze Jahr lang aushalte, dann über Weihnachten. Das hat jetzt schon Tradition.
Ergo war Mitte Juni, als es ans Wiederöffnen der Grenzen ging, die Frage, wollen wir einfach einen Abstecher ins Friaul machen oder gleich nach Venedig? Die Vorstellung, man könnte mal die Serenissima im Sommer und trotzdem ohne Touristenmassen geboten kriegen, hat sich dann durchgesetzt.
Unsere Freunde sind freitags los, wir am Samstag. Gemeinsam haben uns dann das Wochenende über kulinarisch umgesehen:
- ein neues Lokal – das Bararo Risorto Canareggio
- wie jedes Mal Abendessen bei Timon
- Frugales in der Cantina do Spade
- endlich mal Platz im alla Vedova
- zwei Neuigkeiten: das Combo mit atemberaubendem Innenhof und die verzichtbare Bar Tabalotto
- ein Besuch in der guten alten Bar La Toleta und in der wohlbekannten Cantina Aziende Agricola
Zuallererst waren wir bestürzt: vom Flughafen Marco Polo, wo wir immer parken, gab’s nur einmal pro Stunde ein Vaporetto hinüber in die Stadt, wie sonst zwei Linien im Viertelstunden-Takt verkehren, selbst im Winter. Da dachten wir schon: muss echt arg sein…
Abends dann die Überraschung: im Viertel Canareggio, wo mehrheitlich die Einheimischen ausgehen, waren echt Tausende unterwegs, feierten vor den Lokalen – alles zum Bersten voll, Trauben von Leuten mit ihren Gläsern in der Hand. Wie sich herausstellte, waren die vielen jungen Leute am Samstag aus Mestre herüber gekommen, um auch mal ihr Venedig zum Feiern zu nutzen. Verständlich nach all der Quarantäne und den vielfältigen Spaßbremsen. Wir haben uns jedenfalls recht wohl gefühlt in dem Trubel, obwohl wir den Altersschnitt deutlich gehoben haben, wie man so sagt. Und wir wurden mehrfach auf das Freundlichste willkommen geheißen. Welcome back!
Die nächsten Tage aber war’s dann wieder wirklich sehr ruhig.
Wir haben das ganze sehr genossen. Vor allem die Zeit für Gespräche mit Menschen, die sonst alle Hände voll zu tun haben, auch die Einblicke in ein von Corona gebeuteltes Land, in dem sich der Staat bei weitem nicht so umfangreich um seine Bürger kümmert. Keine üppigen Auffangnetze wie bei uns (wobei das die Unselbständigen betrifft; auf die Selbständigen hat unser Staat großzügig vergessen oder sich zumindest arg lumpen lassen entgegen den vollmundigen Versprechungen).
Der Abstecher war’s wert. Die Atmosphäre war selbst für frequente Venedig-Besucher von rarer Qualität. Aber hoffen wir, dass es keine Gelegenheit mehr gibt, das zu wiederholen, so sehr man sich das egoistischerweise vielleicht wünschen mag.
Weiteres zur Reise findet sich auf meinem anderen Blog.