Weihnachten in Venedig

Wir haben uns wieder einmal Feiertage fern von daheim gegönnt, wenn auch nicht gar so weit weg: ein paar Tage Venedig sind aber auch wie Urlaub. Gerade über die Feiertage ist es wohltuend, wie wenig Weihnachten in der Serenissima herrscht, während bei uns alles schon seit Wochen im Jingle-Bells-Takt taumelt…

Abgestiegen sind wir diesmal im DIMORA MARCIANA, einem winzigen Single-Floor-Hotel mit nur 6 Zimmern, die aber für venezianische Verhältnisse durchaus großzügig geschnitten und geschmackvoll historisch ausgestattet sind.

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Ich habe ziemlich günstig über laterooms.com gebucht: direkt über die Feiertage gibt’s Okkasionspreise, die erste Nacht nach unserer Abreise hätte allein mehr als die Hälfte des 4-Tages-Pakets gekostet. Man freut sich. Einzig die Lage war für unsere Zwecke suboptimal – obwohl ja in Venedig es nirgendwohin wirklich weit ist, das Ganze also durchaus zu verschmerzen -, weil mitten im Quartier der Nobelshops an der Salita San Moise gelegen. Dort kann man verdursten und verhungern, aber halt mit Prada, Pal Zileri, Ermengildo Zegna und dergleichen mehr. Wer’s braucht… Wir halten uns damit für gewöhnlich rein gar nicht auf.

Man kann das Hotel getrost empfehlen, einzig das Frühstück in seiner spartanischen Invarianz ist nachgerade dazu angetan, einen mit nüchternen Magen das Weite suchen zu lassen. Man sollte gleich ganz ohne Frühstück buchen, es gibt ja zum Glück in Venedig an allen Ecken – außer eben im Viertel rund um dieses Hotel – ausreichend Gelegenheit, sich zu stärken. Und ein kleiner Frizzante darf bekanntlich im Urlaub auch schon vor dem Zwölfeläuten sein. Man sollte sich jedenfalls nicht unnötig den Magen füllen mit dem unterdurchschnittlichen Zeug, das im Hotel bereitgestellt wird. Es ist nicht allzu weit – über den Campo San Stefano und die Accademia-Brücke – in die Bar alla Toletta, von der Accademia rechts nur einen einzigen kleinen Canale weit weg. Hier wartet eine reichhaltige Auswahl an Tramezzini und anderen mit Delikatessen belegten Brötchen und Weckerln auf das erste Hungerstillen: hervorzuheben das Tramezzino al Cavallo – ja, mit Pferd! Delicato!

Wir sind auch die lange Calle Fuseri bis zum Campo San Luca rauf, um dort im Marchini Time ein paar erste Süßigkeiten zu uns zu nehmen. Irgendwie muss man ja die Zeit bis zum ersten Sprizz oder Frizzante rum bringen.

Wenn nicht grade einer der gottlob nur zwei Feiertage ist, lauert von morgens bis in den frühen Nachmittag der Mercato Rialto mit seinen Genüssen: direkt am Gemüsemarkt liegt die Bar Muro, eines von drei Lokalen, die allesamt besuchenswert (Ristorante Muro San Stae eher sehr gehoben, Ristorante/Pizzeria Muro Frari etwas profaner) sind. Am Rialto betreibt man eine unprätentiöse Marktbar mit einem reichen Sortiment zu mehr als vernünftigen Preisen; samstags – oder eben am 24. Dezember, der ja quasi eine Art von Samstag ist – gibt’s auf dem Platz davor, der interessanterweise Campo Cesare Battisti già della Bella Vienna heißt, Fritto misto mit Polenta und einem Gläschen Chardonnay um wohlfeile pauschale 10 Euro. Wirklich deliziös.

Da bleibt einem dann fast nichts anderes übrig, als eine größere Verdauungsrunde zu drehen – notwendig wär’s ja nicht, weil nicht allzu weit entfernt in einer Parallelgasse zur breiten Ruga Vecchia San Giovanni (man kann’s durch eine Quergasse gut sehen) das All’Arco liegt, seit Jahren konstant eine der besten Cichetterias in Venedig – zum Glück gleich ums Eck vom Rialto, sodass man auf vielen Wegen irgendwie immer wieder mal daran vorbei kommt. Die Auswahl reicht von einfachen Salumes und Formaggi bis hin zu allerhand Innereien, Zunge und Meeresfrüchten, clever dekoriert – und mit eineinhalb Euro pro Stück auf jeden Fall eine Mezzie. Und die Eigentümer sind redlich bemüht, auch Fremden ihre Spezialitäten ans Herz zu legen. Die Qual der Wahl hat man auch mit den zahlreichen offenen Weinen, nichts überkandideltes, aber sehr gute Tropfen dabei. Hier sollte man wirklich auf den Sprizz verzichten und sich ein Schlückchen was Echtes gönnen.

Gleich ums Eck liegt das einstmals überregional berühmte Do Mori, das aber leider trotz üppigen Dekors inzwischen so abgestunken ist, dass man es besser meidet: geschmalzene Preise, lausiger Service, cichetti von zweifelhafter Qualität. Man scheint sich für das lukrative Ausnehmen von Touristen entschieden zu haben, die Reiseführer schicken ja gnadenlos alle vorbei. Wer sich nicht durch den Haufen Einheimischer zu zwängen traut, die mit Tellerchen und Gläsern in Händen vorm All’Arco stehen, ist selber schuld.

Noch ein paar Schritte weiter auf der Ruga Vecchia San Giovanni gibt’s die meines Erachtens einzige Pizzaschnitten-Station in Venedig, deren Produkte man auch essen kann: auf dünnem knusprigem Teig habe ich da einen Belag aus Radicchio, Frischkäse und Salsiccia bekommen, die zusammen auch einer ausgewachsenen Pizzeria alle Ehre gemacht hätten.

Eine wirklich ergiebige Gegend, gut abseits von allen Trampelpfaden gelegen, ist in der Nähe des neuen Ghettos am Fondamente Ormesini. Hier finden sich gleich 3 empfehlenswerte Lokale quasi in Speisenfolge beieinander:

Fondamente Orsini
Lokale am Fondamente Ormesini

Die Wartezeit bis zum Abendessen lässt sich im Al Timon (roter Punkt) bei ein paar Ciccetti und etwas Wein ganz gut verbringen: die Brötchen erinnern frappant an baskische Pinxtos, mit Zahnstochern auf kleine Weißbrotscheiben gespießte Köstlichkeiten. Hier ist aber alles authentisch italienisch. Baccalà (Stockfisch) traditionell venezianisch mit Butter, aber auch in scharfer Variante, dazu geräucherter Käse – mit Brombeeren! -, Salume und Prosciutti. Die Auswahl an Weinen ist lokal zugeschnitten, geht aber natürlich bis in die Colli Orientali del Friuli hinauf. Was wollte man noch mehr!

Danach zum eigentlichen Essen in die Trattoria Antica Mola (blauer Punkt) ein paar Schritte weiter Richtung Ghetto. Hier müssen jedesmal, wenn wir in Venedig sind, zumindest einmal die Sarde in Saor sein, auch die Zuppa di Vongole (die Rezepte bei Giallo Zafferano sind sehr brauchbar). Man kocht schnörkellos venezianisch, der Schwerpunkt liegt natürlich auf Meeresfrüchten und Fisch, aber es gibt auch Ente und Leber. Für einen halben Hummer auf leise knoblauchifizierten Bavetti al pomodori haben wir 16 Euro verrechnet bekommen – steht auch so auf der Kreidetafel. Bemerkenswert ist das Sortiment an Nachspeisen: saisonal bedingt natürlich Panettone con Zabaione oder (nicht so mein Fall) Dolci di natale, aber eine Torta di limone oder einfach frisches Obst.

Und zum Abschluss kann man in der Birreria Zanon (grüner Punkt) eine flüssige Geschmackskorrektur vornehmen – auf dem Heimweg lauert ja dann noch Il Santo Bevitore (magenta Punkt) für den einen oder anderen Absacker. Beim nächsten Mal werde ich sicher ein Hotel eher in der Nähe dort suchen, der Marsch nach Haus in die Nobelgegend war ziemlich lähmend.

Und ein nächstes Mal wird’s sicher geben, das haben wir schon im Vaporetto auf der Fahrt zum Flughafen beschlossen; vielleicht nicht gleich 2014, aber im Jahr danach bestimmt. Und vermutlich wieder zu Weihnachten. Es war nämlich herrlich entspannt – wie erwartet.

Nachschlag

Im Gassengewirr zwischen Rialto und San Marco, aber gleich beim Campiello San Bartolomeo im Durchgang Richtung San Marco, liegt direkt an einem der weniger frequentierten Pfade die Gelatoteca SuSo. Hier haben wir ein phänomenales Pistazien-Nougat-Eis mit Meersalz entdeckt – aber auch die dunkle Schokolade kann was.

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