Die Österreicher und das Deutsche – eine spannungsreiche Beziehung: es gibt eine österreichische Umgangssprache, ja sogar eine österreichische Färbung der Hochsprache. Natürlich ist sie zu vermutlich 95% deutsch, deutlich mehr als das Schweizerische, das Schyzerdütsch. Unsere regionalen Dialekte haben auf die österreichische Umgangssprache nicht so stark durchgeschlagen. Eine kurze Zusammenfassung des Werdegangs dieser durch politischen Entscheid im 18. Jahrhundert herbeigeführten nationalstaatlichen Sprachwerdung gibt der wikipedia-Artikel zur österreichischen Sprache gut wieder. Reden wir also hier kurz von Österreichisch im Gegensatz zu Deutsch.
Die meisten Österreicher reagieren empfindlich auf allzu forsch empfundenes Deutsch. Da spielt natürlich auch die Mentalität des Sprachgebrauchs mit hinein, wir verwenden mehr Konjunktive, auch dort, wo es eigentlich nicht notwendig wäre. Setzt man da aber gleich die indikativen Formen, empfinden wir das eben als forsch.
Der Hauptunterschied im täglichen Gebrauch der Sprache liegt aber in einzelnen Worten, ja Wörtchen, die wir gerne gebrauchen, die wir für konstitutiv für unsere nationale Persönlichkeit halten – oder die eben schleichend bei uns eindringen und Widerstand hervorrufen. Dabei ist zu beachten, dass es in Österreich ein starkes Ost-West-Gefälle gibt, denn was der Wiener noch als ur-österreichisch empfindet, ist bei den Salzburgern schon als Wienerisch verpönt.
Wir sagen Paradeiser zu den Tomaten, Erdäpfel zu den Kartoffeln. Aber die mediale Dominierung des Sprachraums durch die zehn mal so vielen Deutschen macht sich darin bemerkbar, dass diese Wörter allmählich rar werden, auch wenn sie noch nicht unmittelbar vor dem Aussterben stehen.
Ein Problem haben wir im Österreichischen aber schon, und deswegen kommt dieser sprachphilosophische Exkurs auch auf dem Genussfaktor vor: wir gewöhnen uns langsam an das Wörtchen lecker, und nicht einmal die Puristen unter uns finden eine einheimische Alternative dafür.
Lecker bezeichnet etwas Gutes im kulinarischen Sinn, ist also nicht anwendbar auf gute Musik oder guten Sex und andere gute Dinge, wäre demnach also ein Idealwort für Menschen, denen am Erhalt der sprachlichen Vielfalt und der Präzision im Ausdruck gelegen ist. Es sagt genau das aus, was es soll, und hat den Vorteil, aus dem semantisch passenden Umfeld zu stammen.
Und doch spießt es sich mir dabei, das Wort über die Lippen zu kriegen. Es ist bei uns nicht heimisch, klingt deutsch, und es fehlt ihm die Tiefe der Bedeutung: denn lecker ist nun mal als Allerweltswort der Werbesprache bei uns eingedrungen. worauf es da nicht alles bezogen wird, was man im Leben nicht in den Mund nehmen möchte, geschweige denn verzehren! Was kann es schon bedeuten, wenn man es zu einem Fertiggericht aus dem Erascorant sagen kann? Damit wäre hier diese kleine Überlegung auch schon wieder zu Ende, sollte man meinen.
Allein, so einfach ist das nicht: wir haben noch immer kein probates Ersatzwort gefunden. Und die Verdünnung des Wortsinns durch die Medien- und Werbeverwendung trifft uns allenthalben, nicht bloß hier.
Welche Alternativen zum Wort lecker haben wir?
- Von allgemeiner Bedeutung sind:
- appetitlich
- wohlschmeckend
- delikat
- schmackhaft
- mundend
- appetitanregend
- lukullisch
- deliziös
- gustiös
- fein
- erlesen
- feinschmeckerisch
- verlockend
- köstlich
Die speziellen Bedeutungen wie würzig, pikant, knusprig, aromatisch und dergleichen mehr, die sich vom allgemeinen Wortsinn lecker in eine konkretere Richtung entfernen, lassen wir hier gleich weg – sie präzisieren, sind aber bestimmt kein Ersatz.
Quelle: woxikon.de
Jedes der genannten Worte hat einen individuellen Bedeutungsraum, lukullisch ist nicht einfach nur lecker, sondern mit seiner Konnotation zum römischen Feldherrn und ersten exaltierten Feinschmecker der Geschichte Lucius Lusinius Lucullus eher für auserlesene, rare, gesuchte Delikatessen angebracht. Mithin so ziemlich das genaue Gegenteil von Erasco Hühner-Nudel-Topf.
Lecker muss auch nicht fein sein, die beiden Allerweltsworte überschneiden sich nur in einem kleinen gemeinsamen Bereich. Mundend und feinschmeckerisch schließe ich aufgrund meines Sprachempfindens von den allermeisten Verwendungen aus, da müsste denn schon ein sehr spezieller Satz drumherum stehen.
Appetitlich beschreibt für mein Empfinden den Empfindungsraum vor dem Kosten, kann man also für sieht lecker aus durchaus noch in Erwägung ziehen, ähnlich verhält es sich mit appetitanregend. Aber dass etwas appetitlich schmeckt, kommt mir ein Wenig hölzern vor. Damit können wir auch gleich wohlschmeckend von der Liste streichen, denn es bezieht sich einzig auf die gustatorische Seite des Bedeutungsfelds von lecker, gleiches gilt für schmackhaft.
- Da bleiben uns vermutlich nur:
- delikat
- deliziös
- gustiös
- köstlich
Die Crux dabei ist: keines dieser Worte trifft den Umfang des Wortsinns von lecker auch nur annähernd. Aber das ist wohl so, wenn man ein Allerweltswort untersucht. Die Forderung nach sprachlicher Präzision verbietet sowieso solche abgelutschten und mit so vielen Bedeutungen aufgefetteten Wort, die dann nämlich fast gar nichts mehr aussagen können.
Die Alternative zum Wörtchen lecker ist mithin, sich besser auszudrücken. Dem voran geht ein Bewusstsein, dass Worte nicht einfach Worte sind und man sich beim Reden und zumal beim Schreiben aus dem reichen Fundus der gemeinsamen österreichisch-deutschen Sprache bedienen kann: es gibt immer ein passenderes Wort, die Suche lohnt sich!